Aktiver Kinderschutz – Gratwanderung zwischen Hilfe und Kontrolle (I)

KinderschutzMeldungen von Kindeswohlgefährdung während Ferienfreizeiten, Missbrauchsfällen in kirchlichen Einrichtungen, gewaltsamen Übergriffen in Familien oder Kindstötung erschüttern unsere Gesellschaft.

Gewalt hat viele Gesichter: Nach der kürzlich vom BKA vorgelegten Statistik wurden im Vorjahr (2013) 153 Kinder getötet, etwa 40 Kinder täglich Opfer sexuellen Missbrauchs und über 4.000 körperliche Misshandlungen dokumentiert – Dunkelziffer unbekannt. Mit etwa 6.700 Fällen ist zudem ein signifikanter Anstieg von Besitz oder Verbreitung kinderpornographischen Materials festzustellen.

Laut Statistischem Bundesamt führten die Jugendämter im Jahr 2012 rund 107.000 Verfahren zur Beurteilung von Kindeswohlgefährdung durch, die in 38.000 Fällen (36%) eine akute oder latente Gefährdung bestätigten.

Kinderschutz geht uns alle an

Rund um den Kinderschutz stellen sich viele Fragen: Wem können wir unsere Kinder anvertrauen? Wie viel Erziehung braucht ein Kind? Muss der Staat die Kinder vor den Eltern retten? Werden Täter besser geschützt als die Opfer? Oder entscheiden Jugendämter nach Kassenlage? Wie passen Kinderschutz und neue Medien zusammen? Und welche Risikofaktoren im familiären Lebensumfeld begünstigen eine Kindeswohlgefährdung?

Zwischen Vertrauen und Generalverdacht

Die Kinder sind die schwächsten Glieder unserer Gesellschaft. Sie werden von Geburt an durch Familienangehörige, Freunde, Erzieher und Lehrer, aber auch Sozialarbeiter, Übungs-, Jugendgruppen- und Chorleiter betreut, die neben den Eltern zu den (fast) täglichen Begleitern und Bezugspersonen unserer Kinder zählen.

Dennoch kennt Kindesmissbrauch keine gesellschaftlichen Grenzen. Kindergärten und Schulen sind ebenso wenig davor gefeit wie Sportvereine, die Musikschule oder das eigene Zuhause. Täter tragen keinen Zettel auf der Stirn, wir sehen es ihnen nicht an, und wir trauen es ihnen (meist) nicht zu.

Doch immer dort, wo ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Erwachsenen und Kindern besteht, können auch Gefahren lauern. Auch oder gerade deshalb werden heute Betreuungspersonen von Schutzbefohlenen mit einem gewissen Misstrauen betrachtet. „Sippenhaft“ oder Generalverdacht ist trotzdem nicht angebracht – erhöhte Aufmerksamkeit aber schon!

Die Verantwortung des Staates

Im Ergebnis der Vorfälle von Kindeswohlgefährdung trat mit Wirkung vom 1. Januar 2012 das Bundeskinderschutzgesetz in Kraft, das besonderen Wert auf aktiven Kinderschutz durch Frühe Hilfen und verlässliche Netzwerke, mehr Handlungs- und Rechtssicherheit, verbindliche Standards und belastbare statistische Daten legt.

Mit Kampagnen und Handlungsempfehlungen wurde zudem die Fortbildung hauptamtlicher Fachkräfte in der Kinder-und Jugendhilfe, Kindertagesstätten, Schulen oder Vereinen und Verbänden forciert.

Die Bundesländern verstärken den Kinderschutz durch landeseigene Regelungen, die verpflichtenden Früherkennungsuntersuchungen für Kinder, anforderungsrechte Fortbildungen, Hilfen bei häuslicher Gewalt und für Familien in belasteten Lebenslagen, verbindliche Kooperationen von Jugendhilfe, Gesundheitssystem, Schule, Justiz und Polizei sowie eine offensive Öffentlichkeitsarbeit und Aufklärung.

Zudem rief eine gemeinsame Initiative von Bund, Ländern und der Wirtschaft im Juli 2012 „sicher online gehen – Kinderschutz im Internet“ ins Leben und engagiert sich dafür, dass unsere Kinder (möglichst) gefahrlos das Internet entdecken können.

Jugendämter zwischen Intervention, Kontrolle und Kassenlage

Die Jugendämter stehen immer wieder im Fokus der Öffentlichkeit und zugleich zwischen Baum und Borke. So verzichten Eltern aus Angst, das Jugendamt könnte ihnen die Kinder wegnehmen, auf Hilfen, und Sozialarbeiter greifen früher ein, weil sie befürchten, ansonsten angeprangert zu werden und vor Gericht zu stehen. Nichtsdestotrotz sind Inobhutnahme und der Entzug des Sorgerechts ein schwerwiegender Eingriff in das Familienleben, auch wenn es dem Kindeswohl dient. Daher muss die Stärkung der Eltern und die Befähigung zu einer verantwortungsvollen Erziehung – mit Hilfen und fachlicher Begleitung -stets Priorität haben.

Die stetige Zunahme sozialer Notlagen und Eltern, die mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert sind, verlangen zudem eine dem Bedarf entsprechende personelle Ausstattung der Jugendämter und den weiteren Ausbau präventiver Hilfen.

FAZIT:

Kinderschutz ist ohne Frage eine verpflichtende Gemeinschaftsaufgabe!

Welche Risikofaktoren für Kindeswohlgefährdung in der Familie und im Lebensumfeld bestehen, wie Sie selbst bei Verdachtsfällen angemessen reagieren und wo Sie Informationen finden, lesen Sie in unserem nächsten Beitrag.

Tags:Kinderschutz, Kindeswohlgefährdung, Missbrauch

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